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Dose 8 - Lost!

Veröffentlicht am 02.06.2019

[18.9.2017 – Boston Massachusetts]

Also, das mit den Reise-Pillen wäre echt angebracht gewesen. Mehrmals sackt der Flieger nämlich in Luftlöcher, was mein Innerstes irgendwie in Unordnung bringt, als wäre mir leicht übel.

Unsinn!, höre ich euch jetzt sagen. Wie kann einem Travelbug übel werden? Noch dazu einem Plüschtier, das innen aus Füllwatte besteht?

Gegenfrage: Kann jemand einen Blog schreiben, wenn sein Kopf bloß mit Watte gefüllt ist? … Eben!

Immerhin geht es mir besser als Ryan ...

Ryan ist mein aktueller Hop-on-Geocacher. Er besitzt große Hände und ein gutmütiges Gesicht. Seinen schottischen Akzent zu verstehen ist anfangs nicht einfach, aber nach einer Weile habe ich es raus. Neben Ryan nimmt eine zierliche Asiatin platz, die immer wieder höflich lächelt, als er ihr detailreich von seinem Cacher-Leben erzählt. Mehr als 5000 Caches hat er in der ganzen Welt geloggt. Dafür ist er in schwindelerregende Höhen gestiegen, hat sich diverse Male abgeseilt - einmal sogar in die Kanalisation - aber wenn's im Flieger rumpelt, dann muss er zur Tüte greifen. Insgesamt drei Mal.

Den Rest des Fluges verbringt Ryan eher wortkarg. Immer noch leicht grün im Gesicht schultert er nach der Landung seinen Rucksack und wankt über die Gangway ins Flughafengebäude. Aus meinem Rucksack-Netz habe ich einen hervorragenden Rundblick. Und wie ich mich so umschaue, bestätigt sich mein Verdacht, dass wir uns nach siebeneinhalb Stunden Flug nicht mehr auf dem europäischen Kontinent befinden. Überall höre ich breites Amerikanisch und auf den Anzeigen steht Boston Massachusetts! Ich bin in den USA gelandet. Ganz ohne Einreisevisum!

Wie so oft habe ich Glück. Ryan legt mich nämlich nicht gleich wieder ab, sondern nimmt mich auf seine Tour kreuz und quer durch Boston mit. Gemeinsam besuchen wir einige Caches der „Great Chefs of Boston“ Serie, die nicht nur sehenswert sondern für Ryan jedes Mal ein Gaumenschmaus sind. Denn Ryans zweites Hobby ist die Kulinarik. Und weil jede Dose der Serie in der Nähe eines preisgekrönten Restaurants versteckt ist, lässt er es sich nicht nehmen, dort eine Kleinigkeit zu essen. Dabei wirkt er zwischen weiß gedeckten Tischen und edlem Interieur leicht überfordert, und die Preise lassen sein Budget garantiert empfindlich schrumpfen. Aber das leistet sich Ryan jetzt mal, wie er mir im Vertrauen erklärt. Denn weil er bei Freunden übernachtet, spart er immerhin die Hotelkosten. Nach einer gemeinsamen Cache-Tour lädt er das Paar dann zum Italiener um die Ecke ein. Und dort passiert es: Der Flaschenöffner-TB, den Ryan kurz zuvor aufgelesen hat, wird auf den Tisch geholt. Kurz darauf zischt es drei Mal und dann klacken Flaschen aneinander. Neid ergreift von mir Besitz. Klar kann mein TB-Kollege Flaschen öffnen, aber hat der etwa ein Bewusstsein? Schreibt der etwa einen Blog? Ich recke den Hals aus Ryans Rucksack, den er neben sich auf dem Stuhl geparkt hat, kann aber nur die Tischkante von unten sehen. Mist! Und als wäre das nicht genug, zieht Ryan auch noch das Taschentuch-Paket neben mir aus dem Seitenfach seines Rucksacks - und mich gleich mit dazu! Als ich auf den Fußboden plumpse, verhallt mein stummer Schrei ungehört.

Später, als Ryan und seine Freunde aufbrechen, verfehlt mich haarscharf ein Stuhlbein. Und dann muss ich hilflos zusehen, wie sich die Tür hinter Ryans Turnschuhen schließt.

Hier liege ich also. Im Staub. Allein. 

Wahrscheinlich werde ich bald mit den Krümeln aufgekehrt und lande im Müll … Damn! Soll meine Reise wirklich so enden?

Bild von PixelDino auf PixabayBild von PixelDino auf Pixabay

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