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Dose 9 - Pizza, Bier und »Mental Pairing«

Veröffentlicht am 07.07.2019

[19.9.-30.9.2017 – Boston Massachusetts]

Der Handfeger erwischt mich volle Breitseite. Gemeinsam mit Staub, Krümeln und toten Fliegen werde ich auf ein Kehrblech geschoben. Schon öffnet sich vor mir der stinkende Schlund des Mülleimers, ich rutsche abwärts …

Bild von T Caesar auf pixabay.comBild von T Caesar auf pixabay.comIn letzter Sekunde werde ich in die Höhe gerissen. Statt in der Tonne zu landen, baumle ich an meiner Kette vor dem Gesicht einer Kellnerin, die mich mit großen Augen anschaut. »Wen haben wir denn da?«

Meine Retterin säubert mich und hängt mich ganz oben an die Zapfanlage über einen goldenen Knauf. Von hier aus habe ich den gesamten Gastraum im Blick. Während Lucy – so heißt die nette Kellnerin – und ihr Chef Mario Bier zapfen oder andere Getränke mixen, lausche ich den Gesprächen am Tresen. Und worüber unterhält man sich dort so? – Natürlich über Bier! Mario ist nämlich ein passionierter Freund vom sogenannten American Craft Beer. Jedem, der sich an seine Theke verirrt, erzählt er gern und ausführlich von den vielen kleinen Brauereien, die verschiedene Sorten Lager herstellen. Die "Boston Beer Company" zum Beispiel, braut einige Sorten sogar nach dem deutschen Reinheitsgebot. Braumeister Jim Koch verwendet dafür Originalrezepte seines Ur-Ur-Großvaters, der wohl aus Deutschland stammte. Dem jungen Mann mit den verwuschelten Haaren, den er mit Ben anredet, erzählt er diese Story sogar mehrmals.

Ben mag Marios Bier und er liebt Pizza. Davon kann er Unmengen verdrücken. Aber der eigentliche Grund, weshalb er fast täglich am Tresen sitzt, ist Lucy. Nachdem er sich wochenlang nicht getraut hat, sie anzusprechen, halte ich es kaum noch aus. Ich möchte ihn schütteln und anbrüllen. Aber ich schaffe es ja nicht einmal, meine Stofftieraugen genervt zu verdrehen, wenn Lucy mal wieder vor lauter Nervosität ein Glas zerbricht. Das passiert ihr nämlich nur, weil Ben sie anschmachtet. Meine Versuche, die beiden auf telepathische Weise zu beeinflussen, scheitern kläglich. Aber vielleicht sind es am Ende doch diese mentalen Schwingungen, die Bens Aufmerksamkeit auf mich lenken!

Schon streckt er seine Hand nach mir aus, nimmt mich herunter und entdeckt meine Plakette. Zum Glück hat Ben einen Freund, der Geocacher ist. Deshalb weiß er sofort, dass ich ein Travelbug bin. Und als er mich so in der Hand hält, lasse ich all meine mentale Power fließen. Ommm … Los, fass dir ein Herz. Mein soeben erfundenes Mental Pairing klappt tatsächlich! Wie von selbst formen seine Lippen die Worte, die ich ihm einflüstere.

Ehe sie wissen, wie ihnen geschieht, sind Lucy und Ben miteinander verabredet. An Lucys nächstem freien Tag wollen sie dieses Geocaching auch einmal ausprobieren. Und mich nehmen sie natürlich mit!

Mein Watteherz macht einen erleichterten Hüpfer, hatte ich doch schon befürchtet, hier in Boston, einer der pulsierenden Metropolen Amerikas, an der Theke eines italienischen Restaurants versauern zu müssen. Und als an diesem Abend in Marios Trattoria die Lichter ausgehen, stecke ich bereits neben einer Rolle Pfefferminzbonbons in Bens Jackentasche!

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